Lehnwörter
Autor: Silvan Maaß
Im Wörterbuch: Lehnwort, Entlehnung
Lehnwörter? Was ist denn das? Viele werden mit diesem Begriff vermutlich wenig anfangen können. Daher versuchen wir nun, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Alles Wesentliche könnt ihr dem folgenden Inhaltsverzeichnis entnehmen.
1. Definition: Was sind Lehnwörter?
Lehnwörter sind Wörter, die aus einer Sprache (Quellsprache) in eine andere Sprache (Zielsprache) "entlehnt" (übernommen) wurden. Sie passen sich an die Aussprache, Flexion und Schreibweise der Zielsprache an. Im Deutschen gibt es demnach zwei Arten von Lehnwörtern: Entlehnungen aus dem Deutschen und Entlehnungen im Deutschen.
2. Klassifikation
Neben dem Lehnwort an sich, gibt es einige weitere Formen des Lehnworts. Dazu zählen:
2.1 Mehrfachentlehnung
Es ist durchaus möglich, dass ein Wort auch mehrfach zu verschiedenen Zeiten oder über verschiedene Sprachen in eine andere Sprache übernommen wird. In diesem Fall spricht man von einer "Mehrfachentlehnung". Sowohl die Aussprache, die Bedeutung als auch die Schreibweise können sich dann voneinander unterscheiden.
2.2 Rückentlehnung
Wörter können in eine andere Sprache übernommen werden und dort ihre Bedeutung, Aussprache oder Schreibweise ändern. Werden diese Wörter in ihre Quellsprache zurückentlehnt, dann spricht man von einer "Rückentlehnung".
3. Warum gibt es Lehnwörter?
Nicht jedes Wort einer Sprache kann in ein Wort einer anderen Sprache übersetzt werden. Häufig gibt es schlichtweg keinen passenden Begriff in der Zielsprache, der vergleichbar ist bzw. Sinn ergibt. Dieses Defizit wird von den Lehnwörtern genutzt.
Nehmen wir bspw. die "Bratwurst" oder das "Eisbein". Beide Produkte stammen ursprünglich aus Deutschland. Zum Zeitpunkt der Einführung in den englischsprachigen Raum gab es hierfür keine englischsprachige Entsprechung. Deshalb setzte sich der deutsche Begriff durch. Dies ist bis zum heutigen Tag so. Daher handelt es sich bei beiden Begriffen um Lehnwörter in Form von Germanismen.
4. Wo kommen Lehnwörter besonders häufig vor?
Lehnwörter kommen in der Regel gehäuft in Bereichen vor, die von vielen Menschen weltweit gefragt sind. Dazu zählt u.a. die Kulinarik, denn Nahrungsmittel und deren Zubereitung sind seit jeher zentrale Themen in unserer Gesellschaft. Jedes Land hat seine eigenen Spezialitäten. Durch die Globalisierung werden diese über Landesgrenzen hinweg verbreitet, wie man am Beispiel der Bratwurst und des Eisbeins im vorherigen Absatz sehen kann.
Darüber hinaus sind Lehnwörter generell in vielen kommerziellen Bereichen zu finden. Allen voran sicherlich in den technologieorientierten Branchen. Als Beispiele dienen der "Airbag" oder die "Blackbox".
Die wohl größte Rolle unter den Lehnwörtern spielen heutzutage die Anglizismen, da die englische Sprache seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Weltsprache gilt. Viele Entlehnungen stammen aber nicht nur deswegen aus dem Englischen. Die USA als Wirtschafts- und Weltmacht sind seit Jahrzehnten Treiber von Technologien. Gepaart mit deren Kommunikationsfreudigkeit - man denke nur an die amerikanische Medienlandschaft - finden Begriffe weltweit in kürzester Zeit Gehör und können somit schnell in andere Sprachen übernommen werden.
5. Wozu dienen Lehnwörter?
In erster Linie sollten Lehnwörter als Bereicherung einer Sprache angesehen werden, denn sie gehören zur Entwicklung einer Sprache dazu und ermöglichen es, sich präzise auszudrücken.
Zudem ist der Fortschritt der Wissenschaft und Technik immens. Allein in diesem Sektor gibt es unzählige neu zu bezeichnende Sachverhalte, die auch auf internationaler Ebene durchgesetzt werden. Viele Lehnwörter sind daher weltweit bekannte Begriffe, die Sprachen miteinander verbinden. Sie werden daher auch als "Internationalismen" bezeichnet.
Hinzu kommt der kommerzielle Aspekt. Denn nicht selten stehen fremdsprachliche Begriffe für Innovation, die wiederum zu erhöhter Nachfrage und zu mehr Umsatz führt. Somit können viele Unternehmen einen direkten Nutzen aus der Verwendung von Lehnwörtern ziehen.
6. Abgrenzungen
Abzugrenzen sind Lehnwörter von:
6.1 Erbwort
Bei einem Erbwort handelt es sich um ein Wort, dass nicht aus einer anderen Sprache entlehnt wurde. Erbwörter haben ihren Ursprung in einer zurückliegenden Sprachstufe (sprachgeschichtliche Entwicklungsstufe) einer Sprache. Im Deutschen wären das beispielsweise das Neuhochdeutsch (seit ca. 1350), das Althochdeutsch (750–1050) oder die noch weiter zurückliegende urgermanische Sprache. Aus allen drei Sprachstufen ist unsere heutige Sprache entstanden. Erbwörter sind der deutschen Sprache somit seit Jahrtausenden erhalten geblieben.
Übrigens bildet der Erbwortschatz den Kern der neuhochdeutschen Sprache (die jüngste Sprachstufe des Deutschen, die seit etwa 1650 besteht), da er den größten Teil unseres Gesamtwortschatzes ausmacht.
Beispiele: Haus (althochdeutsche Form: hūs), Karawane (mittelhochdeutsche Form: karabane) oder Bann (althochdeutsche Form: ban)
6.2 Fremdwort
Fremdwörter werden, genau wie Lehnwörter auch, aus einer anderen Sprache in die Zielsprache aufgenommen. Der Unterschied zum Lehnwort ist aber, dass ein Fremdwort im Großen und Ganzen unverändert übernommen wird. Nur wenn es flektierbar ist, wird es geringfügig angepasst. So erhalten Substantive einen Artikel und werden großgeschrieben und Verben werden konjugiert. Diese Betrachtungsweise gilt in der modernen Sprachwissenschaft jedoch als veraltet, da es häufig zu Problemen bei ihrer Unterscheidung kam. Man spricht stattdessen von "Entlehnung" oder "Lehnwort".
Die korrekte Aussprache von Fremdwörtern setzt häufig ein gewisses Maß an Bildung voraus, sofern man der Gefahr eines falschen Gebrauches (Malapropismus) entgehen möchte.
Beispiele: Nonsens oder Refugium
6.3 Pseudoentlehnung
Pseudoentlehnungen - auch "Scheinentlehnungen" genannt - sind Wörter, bei denen es sich scheinbar um Fremd- oder Lehnworte handelt. Dies ist aber nicht der Fall, denn sie klingen nur so, als stammen sie aus einer fremden Sprache. Tatsächlich gibt es sie aber gar nicht in der vermuteten Quellsprache oder sie haben dort eine andere Bedeutung.
Beispiele: Handy (ein Scheinanglizismus) oder Friseur (ebenfalls ein Scheingallizismus)
7. Terminologie / Lehnwortschatz
Rund um das Thema Wortentlehnung bzw. Lehnwörter ranken sich zahlreiche Fachwörter und Fachausdrücke, die sogenannte Lehngutsterminologie. Sie geht bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Genauer gesagt war es der Linguist Werner Betz (1912 - 1980), der die heute noch immer gebräuchlichen Terminologien zwischen 1949 und 1959 erarbeitete.
7.1 Lehnprägung (semantische Entlehnung)
Bei der Lehnprägung handelt es sich um eine rein semantische (inhaltliche) Entlehnung, bei der nur die fremdsprachliche Bedeutung übernommen wird und nicht die Form der Wörter. Wird auch deren Form übernommen, handelt es sich um Lehnwörter. Es gibt zwei Arten der semantischen Entlehnung: die Lehnbedeutung und die Lehnbildung.
7.1.1 Lehnbedeutung
Bei der Lehnbedeutung wird die fremdsprachliche Bedeutung eines Wortes aus der Quellsprache übernommen und auf ein Wort der Zielsprache übertragen. Noch einfacher ausgedrückt: ein bestehendes Wort bekommt eine zusätzliche Bedeutung nach dem Vorbild des Fremdwortes. Der Bedeutungsumfang wird also erweitert.
Beispiel: dem Verb schneiden (mit einem Schneidewerkzeug einen Gegenstand oder einen Teil von ihm abtrennen) wurde unter dem Einfluss des Englischen "to cut someone dead" (jemanden absichtlich und demonstrativ übersehen) diese zusätzliche Lehnbedeutung hinzugefügt.
7.1.2 Lehnbildung
Die Lehnbildung bezeichnet die Bildung eines neuen Wortes nach dem Vorbild einer anderen Sprache. Sie gliedert sich in Lehnschöpfung und Lehnformung.
7.1.2.1 Lehnschöpfung
Bei der Lehnschöpfung wird die Bedeutung eines Fremdwortes aus der Quellsprache für ein neugebildetes Wort in die Zielsprache übernommen. Die Wortform jedoch nicht. Demnach hat das neugebildete Wort auf Morphemebene (Formebene) nichts mit dem Fremdwort zu tun. Dieser Vorgang zielt in der Regel darauf ab, ein bereits existierendes Fremdwort zu ersetzen.
Beispiel: Mitlaut als deutsche Form von Konsonant
7.1.2.2 Lehnformung
Bei der Lehnformung lehnt sich das neue Wort an das fremdsprachliche an. Hierbei bestehen zwei Möglichkeiten: die Lehnübersetzung und die Lehnübertragung.
7.1.2.2.1 Lehnübersetzung
Hierbei wird ein meist zusammengesetztes fremdes Wort aus der Quellsprache Glied für Glied in die Zielsprache übersetzt. Die Bestandteile werden quasi einzeln übersetzt.
Beispiel: der lateinische Begriff "paeninsula" (paen-insula), dessen Lehnübersetzung im Deutschen Halbinsel (Halb-insel) ist.
7.1.2.2.2 Lehnübertragung
Die Lehnübertragung übersetzt die Bestandteile des fremden Wortes aus der Quellsprache nur teilweise. Sprich: ein Teil wird bedeutungsgleich übersetzt, der andere nicht.
Beispiel: Wolkenkratzer für das englische Wort "skyscraper". Würde man beide Teile ohne Bedeutungsveränderung übersetzen, dann müsste der "Wolkenkratzer" "Himmelskratzer" heißen.
8. Lehnwörter Beispiele
Es gibt Sprachen, aus denen besonders viele Lehnwörter in die deutsche Sprache eingegangen sind. Dazu zählen das Englische, Französische, Griechische und Lateinische. Dies möchten wir nun anhand einiger bekannter Beispiele verdeutlichen.
- Englische Lehnwörter
- Französische Lehnwörter
- Griechische Lehnwörter
- Lateinische Lehnwörter
9. Lehnwörter Liste
Die folgende Liste stellt eine umfangreiche Sammlung mit über 10.000 Entlehnungen im Deutschen sowie Entlehnungen aus dem Deutschen dar.
- Entlehnungen im Deutschen
- Anglizismen (englische Lehnwörter)
- Arabismen (arabische Lehnwörter)
- Gallizismen (französische Lehnwörter)
- Gräzismen (griechische Lehnwörter)
- Hebraismen (hebräische Lehnwörter)
- Hispanismen (spanische Lehnwörter)
- Italianismen (italienische Lehnwörter)
- Japanismen (japanische Lehnwörter)
- Jiddismen (jiddische Lehnwörter)
- Latinismen (lateinische Lehnwörter)
- Niederlandismen (niederländische Lehnwörter)
- Russizismen (russische Lehnwörter)
- Slawismen (slawische Lehnwörter)
- Sinismen (chinesische Lehnwörter)
- Turzismen (türkische Lehnwörter)
- Ungarismen (ungarische Lehnwörter)
- Entlehnungen aus dem Deutschen
- Germanismen (deutsche Lehnwörter)
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Über den Autor
Silvan Maaß ist Diplom-Kommunikationswirt (dab) sowie Mitbegründer der Sprachnudel, wodurch er sich seit 20 Jahren beinahe täglich mit theoretischer und angewandter Linguistik beschäftigt. Die Lebendigkeit der Sprache hat es ihm besonders angetan. Daher interessiert er sich insbesondere für Okkasionalismen und Neologismen - zwei kreative Themenfelder der Linguistikforschung, die in unserer Gesellschaft relevanter denn je sind.
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Statistiken
- Abkürzungen 5.243
- Adjektiv 14.452
- Dialekt 4.805
- Soziolekt 6.529
- Umgangssprache 3.749
- Nomen 108.627
- Verb 14.748
- Synonyme 1.515.578
- Neologismen 869
- Grüße 264
- Redewendungen 2.663
- Sprichwörter 1.489
- Sprüche 479
- Wünsche 468
- Zungenbrecher 447
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