Gedichte

Autor: Silvan Maaß

Im Wörterbuch: Gedicht

Gedichte - Alles was du darüber wissen musst!

Obwohl Gedichte noch immer zahlreiche Autoren, Verleger und Kritiker haben, gibt es immer weniger Leser außerhalb dieser Bereiche. Nichtsdestotrotz sind sie eine Kunstform mit Daseinsberechtigung und einer sehr langen Historie, weshalb wir uns auf dieser Seite mit ihnen beschäftigen.

1. Definition: Was ist ein Gedicht?

Ein Gedicht (veraltet auch "Poem") wird seit dem 17. Jahrhundert als ein poetischer Text (Dichtung) verstanden. Der Text muss also eine dichterische Ausdruckskraft besitzen. In der Regel unterliegt er daher einer bestimmten metrischen Form, die durch Rhythmus und Reim bestimmt wird und in Versen geschrieben wird. Mehrere Verse bilden dabei eine Strophe, von denen poetische Texte häufig mehrere haben. Je nach dichterischer Gestaltung kann eine Dichtung Teil von einer der drei literarischen Gattungen sein: Lyrik, Epik oder Dramatik.

Im Folgenden betrachten wir nur die Lyrik.

2. Unterscheidungskriterien von Gedichten

Gedichte lassen sich nach drei Kriterien unterscheiden. Das sind:

2.1 Gedichtform (Gedichtart)

Die Lyrik kennt verschiedene Gedichtformen (auch Gedichtarten oder Gedichtgattungen genannt), die in Strophen organisiert sind. In der Strophe wiederum sind verschiedene Versformen organisiert, die für den Aufbau der Strophe verantwortlich sind. Wir unterscheiden folgende Gedichtformen nach ihrer Herkunft:

2.1.1 Gedichtformen der germanisch-deutschen Lyrik

Germanisch-deutsche Gedichtformen sind rar gesät. Am Bedeutendsten ist die Volksballade.

2.1.1.1 Volksballade

Obwohl sich die Volksballade von der Namensgebung her von der Ballade ableitet, hat sie wenig mit ihr zu tun. Die Volksballade stammt aus dem 16. Jahrhundert aus England. Jedenfalls ist sie seit dieser Zeit dokumentiert. Wahrscheinlicher ist aber ein wesentlich früherer Ursprung irgendwann im Spätmittelalter (1250 bis 1500).
Volksballaden sind erzählende, mündlich überlieferte Gedichte, die dem Volk hauptsächlich von Musikanten in gesungener Form vorgetragen wurden. Obwohl die Verfasser der Volksballaden unbekannt sind, geht man heute davon aus, dass es sich dabei ebenfalls um individuelle Werke lyrisch begabter Musikanten gehandelt hat.
Thematisch hat die Volksballade ein breites Spektrum. Ob zwischenmenschliche Konflikte, soziale Ungleichheit, historische Geschehen, religiöser Kontext oder gar Spukgeschichten - alles war vertreten.
In Deustchland hatte die Kunstballade ihren Höhepunkt im 18. Jahrhundert. Im Gegensatz zur Volksballade ist die Kunstballade schriftlich dokumentiert, wodurch der Verfasser bekannt ist.

Strophen:
Die Volksballade ist mehrstrophig, oftmals mit Refrains.

Versform und Versmaß:
Häufig besteht die Volksballade aus vier Verszeilen (Vierzeiler). Ihr Versmaß ist nicht auf ein bestimmtes Schema festgelegt.

Reim:
Der Endreim ist sehr weit verbreitet. Häufig wird er als Paarreim oder Kreuzreim verwendet.

Beispiel für eine Kunstballade:
Zu Dionys dem Tirannen schlich
Möros, den Dolch im Gewande,
Ihn schlugen die Häscher in Bande.
Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!
Entgegnet ihm finster der Wütherich.
"Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
Das sollst du am Kreutze bereuen.

Ich bin, spricht jener, zu sterben bereit,
Und bitte nicht um mein Leben,
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drey Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit,
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn ich, erwürgen.

Da lächelt der König mit arger List,
Und spricht nach kurzem Bedenken:
Drey Tage will ich dir schenken.
Doch wisse! Wenn sie verstrichen die Frist,
Eh du zurück mir gegeben bist,
So muß er statt deiner erblassen,
Doch dir ist die Strafe erlassen.

Friedrich Schiller (1759-1805), Die Bürgschaft (Strophe 1-3 von 20)

2.1.2 Gedichtformen der romanischen Lyrik

Es gibt zahlreiche romanische Gedichtformen. Die meisten von ihnen kommen aus Frankreich, Italien und Spanien. Am Bedeutendsten sind:

2.1.2.1 Ballade

Die Ballade stammt aus dem 12. Jahrhundert aus Okzitanien - einer Sprachregion im südwestlichen Europa, in der bis heute Französisch gesprochen wird. Zu dieser Zeit war sie ein kurzes, mehrstrophiges Tanzlied mit wiederholenden Strophen (Refrains). Im 18. Jahrhundert bildeten sich daraus dann in Deutschland mehrstrophige Erzählgedichte, die verschiedene Merkmale der Epik (u.a. Erzähler), Lyrik (u.a. Strophen) und Dramatik (u.a. Dialoge) vereinen. Diese sind nicht festgelegt und können daher von Ballade zu Ballade stark variieren. Inhaltlich bedient sich die Ballade gerne der Fantasie (besonders dem Übernatürlichen) und erzählt meist von antiken, märchenhaften Themen.

Strophen:
Die Ballade ist mehrstrophig, oftmals mit Refrains.

Versform und Versmaß:
Normalerweise haben Balladen ein regelmäßiges Versmaß (gleichmäßiger Wechsel von betonten und unbetonten Silben). Es kann aber auch unregelmäßig sein.

Reim:
Der Endreim wird gerne verwendet. Generell variieren die Reimformen jedoch häufig. Das Reimschema ist oft regelmäßig. Es kann aber auch unregelmäßig sein.

Beispiel:
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnenlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! Nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen,
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide.

Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), Der Knabe im Moor
2.1.2.2 Romanze

Die Romanze stammt aus dem 14. Jahrhundert aus Spanien und war ursprünglich eine lyrisch-epische Erzählung in 16-silbigen, ungereimten Versen mit balladenhaften Zügen. Im Deutschen entwickelte sich daraus im Barock (1600 - 1750) die Romanzenstrophe.

Strophen:
Die spanische Urform der Romanze hat keine strophische Gliederung. Die deutsche Romanzenstrophe hingegen ist vierzeilig oder achtzeilig (doppelte Romanzenstrophe).

Versform und Versmaß:
Die spanische Romanze besteht aus 16-silbigen Versen ohne bestimmtes Versmaß.
Die deutsche Romanzenstrophe besteht dagegen aus vierhebigen Trochäen. Es gibt sie als "Schenkenstrophe" mit durchgehend weiblicher Kadenz sowie acht Silben und als "Suleikastrophe" mit alternierend (abwechselnd) weiblichen und männlichen Kadenzen (1. und 3. Zeile sind weiblich, die 2. und 4. Zeile sind männlich).

Reim:
Die spanische Romanze ist ungereimt. Die deutsche Romanzenstrophe kann sowohl assonierend als auch kreuz- bzw. halb kreuzgereimt (Reimschema: abab oder xaxa) sein.

Beispiel:
Was treibt und tobt mein tolles Blut?
Was flammt mein Herz in wilder Glut?
Es kocht mein Blut und schäumt und gärt,
Und grimme Glut mein Herz verzehrt.

Das Blut ist toll und gärt und schäumt,
Weil ich den bösen Traum geträumt;
Es kam der finstre Sohn der Nacht,
Und hat mich keuchend fortgebracht.

Er brache mich in ein helles Haus,
Wo Harfenklang und Saus und Braus,
Und Fackelglanz und Kerzenschein;
Ich kam zum Saal, ich trat hinein.

Das war ein lustig Hochzeitfest;
Zu Tafel saßen froh die Gäst'.
Und wie ich nach dem Brautpaar schaut -
O weh! mein Liebchen war die Braut.

Das war mein Liebchen wunnesam,
Ein fremder Mann war Bräutigam;
Dicht hinterm Ehrenstuhl der Braut,
Da blieb ich stehn, gab keinen Laut.

Es rauscht Musik - gar still stand ich;
Der Freudenlärm betrübte mich.
Die Braut, sie blickt so hochbeglückt,
Der Bräut'gam ihre Hände drückt.

Der Bräut'gam füllt den Becher sein,
Und trinkt daraus, und reicht gar fein
Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank -
O weh! mein rotes Blut sie trank.

Die Braut ein hübsches Äpflein nahm,
Und reicht es hin dem Bräutigam.
Der nahm sein Messer, schnitt hinein -
O weh! das war das Herze mein.

Sie äugeln süß, sie äugeln lang,
Der Bräut'gam kühn die Braut umschlang,
Und küßt sie auf die Wangen rot -
O weh! mich küßt der kalte Tod.

Wie Blei lag meine Zung' im Mund,
Daß ich kein Wörtlein sprechen kunnt.
Da rauscht es auf, der Tanz begann;
Das schmucke Brautpaar tanzt voran.

Und wie ich stand so leichenstumm,
Die Tänzer schweben flink herum; -
Ein leises Wort der Bräut'gam spricht,
Die Braut wird rot, doch zürnt sie nicht.

Heinrich Heine (1797-1856), Was treibt und tobt mein tolles Blut
2.1.2.3 Sestine

Die Sestine stammt aus dem 12. Jahrhundert aus Italien und ist durch eine komplizierte Reimfolge gekennzeichnet. Im Barock (1600 bis 1750) gelangte sie nach Deutschland.

Strophen:
Die Sestine besteht aus sechs Strophen mit jeweils sechs Versen. Darauf folgt ein Dreizeiler, die sogenannte Coda. Sie ist der angehängte, ausklingende Teil.

Versform und Versmaß:
Die italienische Sestine zeichnet sich durch das Versmaß des Endecasillabos aus. In der deutschen Dichtung ist der jambische Fünfheber verbreitet.

Reim:
Die besondere Eigenart der Sestine besteht darin, dass die in der ersten Strophe verwendeten Reimwörter am Ende der Verse in einer festgelegten Reihenfolge in den nächsten Strophen beibehalten werden. Hierfür gibt es zwei Schemata. Das Schema 1, das "Retrogradatio cruciata", stellt das ursprüngliche, italienische dar. Schema 2 wurde von Martin Opitz (1597 - 1639) in seiner Sestine "Schäfferey von der Nimfen Hercinie" verwendet und galt fortan als das Schema der Wahl für alle weiteren Sestinen im deutschen Barock.
Für das bessere Verständnis ist das Nummerieren der Verse der ersten Strophe von 1 - 6 hilfreich. Für die gesamte Sestine ergeben sich dann die beiden folgenden Formen:

Schema 1 (Retrogradatio cruciata):
1. Strophe: 1 2 3 4 5 6
2. Strophe: 6 1 5 2 4 3
3. Strophe: 3 6 4 1 2 5
4. Strophe: 5 3 2 6 1 4
5. Strophe: 4 5 1 3 6 2
6. Strophe: 2 4 6 5 3 1

Schema 2 (Opitzische Schema):
1. Strophe: 1 2 3 4 5 6
2. Strophe: 6 1 2 3 4 5
3. Strophe: 5 6 1 2 3 4
4. Strophe: 4 5 6 1 2 3
5. Strophe: 3 4 5 6 1 2
6. Strophe: 2 3 4 5 6 1

Alle sechs Reimwörter werden in der darauffolgenden Coda in der Reihenfolge der 1. Strophe (jeweils zwei pro Verszeile) nach festem Schema wiederholt: Drei Reimwörter befinden sich innerhalb der Verse, die anderen drei am Ende. Die Form sieht wie folgt aus:

Schema der Coda:
1. Coda-Zeile: ... Reimwort 1 ... Reimwort 2
2. Coda-Zeile: ... Reimwort 3 ... Reimwort 4
3. Coda-Zeile: ... Reimwort 5 ... Reimwort 6

Beispiel für Schema 2:

Wenn durch die Lüfte wirbelnd treibt der Schnee,
Und lauten Fußtritts durch die Flur der Frost
Einhergeht auf der Spiegelbahn von Eis;
Dann ist es schön , geschirmt vom Wintersturm,
Und unvertrieben von der holden Glut
Des eignen Herde, zu sitzen still daheim.

O dürft' ich sitzen jetzt bei der daheim,
Die nicht zu neiden braucht den reinen Schnee,
Die mit der sonn'gen Augen sanfter Glut
Selbst Funken weiß zu locken aus dem Frost!
Beschwören sollte sie in mir den Sturm,
Und tauen sollte meines Busens Eis.

Erst muß am Blick des Frühlinges das Eis
Des Winters schmelzen, und nach Norden heim,
Verscheucht vom Lenzhauch, ziehn der laute Sturm;
Eh' ich darf ziehn dorthin, wo ich den Schnee
Der Hand will küssen, den, weil Winterfrost
Ihn nicht erschuf, nicht tötet Sommerglut.

Die Sehnsucht brennt in mir wie Sommerglut,
Aufzehrend innerlich wie mürbes Eis
Mein Herz, inmitten von des Winters Frost;
Und rastlos stäuben die Gedanken heim
Nach ihrem Ziel, sich kreuzend wie der Schnee,
Den flockend durcheinander treibt der Sturm.

O daß mich fassend zu ihr trüg' ein Sturm,
Damit gestillet würde meine Glut!
Und dürft' ich als ein Flöckchen auch von Schnee
Nur, oder als ein Nädelchen von Eis
Das Dach berühren, wo sie ist daheim;
Nicht fühlen wollt' ich da des Winters Frost.

Wer fühlet, wo der Frühling atmet, Frost?
Wen schrecket, wo die Liebe sonnet, Sturm?
Wer kennet Ungemach, wo sie daheim?
Sie, die mir zuhaucht sanfte Lebensglut
So fern her über manch' Gefild von Eis
Und manch' Gebirg, bedeckt von rauhem Schnee.

Mit Blütenschnee schmückt sich der kahle Frost,
Das Eis wird Lichtkristall und Wohllaut Sturm,
Wo ich voll Glut zu dir mich denke heim.

Friedrich Rückert (1788-1866), Sestine
2.1.2.4 Sonett

Das Sonett ist eine Gedichtart aus dem 13. Jahrhundert aus Italien. Im 16. Jahrhundert kam es nach Deutschland.

Strophen:
Ein Sonett besteht aus 14 Verszeilen, die in vier Strophen aufgeteilt sind. Auf zwei Vierzeiler (Quartette) folgen zwei Dreizeiler (Terzette).

Versform und Versmaß:
Bei der Versform des italienischen Sonetts handelte es sich ursprünglich um Endecasillabi. Im Deutschen entspricht dies dem jambischen Fünfherber. In der deutschen Literatur erlangte das Sonett erst im Barock (1600 - 1750) Bedeutung. Zu dieser Zeit war der Alexandriner die vorherrschende Versform. Ab dem 19. Jahrhundert (Beginn der deutschen Romantik) übernahm auch in Deutschland die italienische Versform die Oberhand.

Reim:
Es gibt verschiedene Reimschemata. Besonders die der beiden Dreizeiler variieren. Das Reimschema der italienischen Grundform lautet: abba abba cdc dcd, Terzette auch: cde cde

Varianten:

  • Französischer Typ in der Hochklassik (1660 bis 1715) mit dem Reimschema: abba abba ccd ede, Terzette auch: ccd eed
  • Shakespeare-Sonett aus der englischen Literatur, das aus drei Vierzeilern und einem abschließendem Reimpaar (Zweizeiler) besteht. Reimschema: abab cdcd efef gg
  • sonnet licencieux (freizügiges Sonett) aus der französischen Lyrik mit dem Reimschema abba cddc in den beiden Quartetten. Das Reimschema der beiden Terzetten ist nicht festgelegt, es ist "freizügig".
Beispiel:

Der Straßenlärm betäubend zu mir drang.
In großer Trauer, schlank, von Schmerz gestrafft,
Schritt eine Frau vorbei, die mit der Hand gerafft,
Den Saum des Kleides hob, der glockig schwang.

Anmutig, wie gemeißelt war das Bein.
Und ich, erstarrt, wie außer mich gebracht,
Vom Himmel ihrer Augen, wo ein Sturm erwacht,
Sog Süße, die betört, und Lust, die tötet, ein.

Ein Blitz… dann Nacht! - Du Schöne, mir verloren,
Durch deren Blick ich jählings neu geboren,
Werd ich in Ewigkeit dich erst wiedersehn?

Woanders, weit von hier! zu spät! soll’s nie geschehn?
Dein Ziel ist mir und dir das meine unbekannt.
Dich hätte ich geliebt, und du hast es geahnt!

Charles Baudelaire (1821-1867), An eine, die vorüberging

2.1.3 Gedichtformen der Antike

Antike Gedichtformen stammen in der Regel aus dem antiken Griechenland, da die Griechen zur Entwicklung der europäischen Zivilisation entscheidend beigetragen haben, wozu auch ein Großteil der literarischen Errungenschaften zählen. Bedeutende Gedichtarten aus dieser sind:

2.1.3.1 Elegie

Die Elegie stammt aus der Antike (antikes Griechenland). Sie war ursprünglich eine lyrische Dichtungsform ohne klaren Inhalt und galt daher lange Zeit als reine Formbezeichnung. Im Laufe der Jahrhunderte drückte sie unterschiedlichste Themen jedoch mehr und mehr mithilfe von klagenden Gefühlen aus. Diese waren oft schwermütig. Dann verliehen sie dem Verlust oder der Sehnsucht Ausdruck. Die Gefühle spiegelten aber auch die heitere Stimmung der Seele wieder. Dies taten sie allerdings mit einem Hauch von Wehmut und der "Angst" um das Wissen, dass derlei Gefühle vergänglich waren. Man bezeichnet die Elegie deshalb auch als Klagegedicht. Ursprünglich geht sie jedoch aus der Liedform - dem Klagelied - hervor. Von ihm ist erstmalig im 5. Jahrhundert v. Chr. die Rede. Da Lyrik in der Antike aber zum Großteil singend vorgetragen wurde, verschwimmen die Begriffe "Lied" und "Gedicht" miteinander.
Für die Antike gilt der Römer Tibull (um 50 v. Chr. - 19 v. Chr.) als unübertroffener Elegiendichter. Im Deutschen ist die Elegie vor allem von Schiller (1759-1805) und Goethe (1749-1832) geprägt worden.

Strophen:
Jede Strophe der Elegie kann aus einem einzelnen Distichon bestehen oder aus mehreren Distichen nacheinander. Die Anzahl der Strophen ist nicht vorgeschrieben.

Versform und Versmaß:
Die Elegie zeichnet sich durch das elegische Versmaß aus. Hierbei handelt es sich um ein festes Verspaar, das Distichon. Der Zweizeiler besteht aus einem Hexameter und einem Pentameter.

Reim:
Die Elegie hat kein festgelegtes Reimschema. In der Antike war sie häufig reimlos.

Beispiel:
Täglich geh' ich heraus, und such' ein Anderes immer,
Habe längst sie befragt alle die Pfade des Lands;
Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch' ich,
Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,
Ruh' erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder,
Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;
Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm,
Jammernd und schlummerlos treibt es der Stachel umher.
Nicht die Wärme des Lichts, und nicht die Kühle der Nacht hilft,
Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.
Und wie ihm vergebens die Erd' ihr fröhliches Heilkraut
Reicht, und das gärende Blut keiner der Zephire stillt,
So, ihr Lieben! auch mir, so will es scheinen, und niemand
Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen Traum?
Friedrich Hölderlin (1770-1843), Menons Klagen um Diotima (1. Strophe)
2.1.3.2 Epigramm

Das Epigramm stammt aus der Antike (antikes Griechenland), wo es seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. durch Werke des griechischen Dichters Simonides von Keos (556 v. Chr. - 468 v. Chr.) dokumentiert ist. Zu dieser Zeit waren Epigramme noch beschreibende Inschriften vorrangig auf Bauwerken, Grabmälern und Votivgaben, die später um eine poetische Ebene erweitert wurden, indem in Distichen formulierte Gefühle und Gedanken hinzu kamen.
Aus dem antiken Griechenland gelangte das Epigramm dann nach Rom, wo es durch den römischen Dichter Martial (etwa 40 n. Chr. - 104 n. Chr.) geprägt wurde. Er beschrieb darin vornehmlich den Alltag der Römer auf ironisch, satirische Art. Dafür teilte er das Epigramm in einen vorbereitenden Teil - den Erwartungsteil - und einen wirkungsgeladenen Teil - den Aufschluss. Den zweiten Teil nutzte Martial gerne für eine Pointe.
Auch in Deutschland war Martials Form seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Im 17. Jahrhundert wurde das Epigramm "wiederbelebt" und fortan auch als "Sinngedicht" bezeichnet. Als Hochphase gilt die Klassik (1786–1832).

Strophen:
Epigramme sind einstrophig.

Versform und Versmaß:
Epigramme haben keine festen, formalen Eigenschaften. Kennzeichnend ist jedoch ihre Kürze. Deshalb nutzen sie häufig das Distichon als Versmaß. Neben dem Zweizeiler ist auch der Vierzeiler verbreitet.

Reim:
Epigramme haben kein festgelegtes Reimschema. Sie sind meist reimlos.

Beispiel:
Eine Liebe hatt' ich, sie war mir lieber als alles,
Aber ich hab' sie nicht mehr! schweig, und ertrag den Verlust.
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Xenien
2.1.3.3 Hymne

Der Hymnus oder die Hymne stammt aus der Antike (antikes Griechenland). Sie war ein Lobgesang auf Helden, Götter und die Natur. Im Frühchristentum (1. - 5. Jahrhundert) verstand man darunter dann eine Psalmengattung. Hymnen waren seitdem poetisch religiöse Texte in Liedform, die Gott selbst oder ein göttliches Bild lobpreisten. Dabei hielten sie sich an ein festes Formschema beginnend mit einem Aufgesang (Aufforderung zum Gotteslob). Darauf folgte die Begründung und das Hauptstück (Entfaltung des Gotteslobes). Beendet wurde die Hymne mit einem Rückbezug zum Aufgesang oder einer Wiederholung dessen.
Anfänglich war die Hymne vielstrophig. Seit dem 4. Jahrhundert besaßen die meisten Hymnen dann acht Strophen mit jeweils vier Versen und einer gleichbleibenden Silbenzahl. Sie endeten mit der sogenannten Doxologie-Strophe, die der Ehrung des dreifaltigen Gottes (1: Gott der Vater, 2: Jesus Christus - der Sohn Gottes und 3: der Heilige Geist - der Geist Gottes) diente. Diese Form war an die Werke von Ambrosius von Mailand (339 - 397) angelehnt, weshalb sie auch als "ambrosianische Hymne" bezeichnet wird. Bis ins Mittelalter (6. - 15. Jahrhundert) war dies die typische Hymnenform, bei der nun vermehrt auch der Endreim zum Einsatz kam. In der römisch-katholischen Kirche und anderen Konfessionen des Christentums wird diese Form noch immer im Offizium (Stundengebet) verwendet.
Seit dem frühen 18. Jahrhundert, der Epoche der Empfindsamkeit, ist die Hymne auch eine Gedichtart, die sich inhaltlich nicht mehr nur dem Göttlichen widmet. Vielmehr drücken Hymnen seitdem auch eine übermäßige Begeisterung und Verehrung für weltliche Dinge aus, indem sie etwa Personen, Städte oder bestimmte Gegebenheiten verherrlichen. Zudem verlor die Hymne nach und nach ihre formalen Regeln. Heute ist die Hymne metrisch ungebunden.

Strophen:
Die Hymne hat keinen festen Strophenbau.

Versform und Versmaß:
Hymnen werden in der Regel in freiem Rhythmus gehalten. Sie sind metrisch ungebunden.

Reim:
Hymnen sind reimlos.

Beispiel:
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Müßt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Gluth
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn', als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Thoren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wußte wo aus noch ein,
Kehrt' ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär'
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie mein's,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir
Wider der Titanen Übermuth?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverey?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Thränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blüthenträume reiften?

Hier sitz' ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sey,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Prometheus
2.1.3.4 Ode

Die Ode stammt aus der Antike (antikes Griechenland). Ursprünglich waren Oden lobpreisende, reimlose Lieder in festgelegter Strophenform, die aus Gesang (also auch lyrische Verse) und einem begleitendem Musikinstrument bestanden. Es handelte sich demnach um sangbare strophische Dichtung. Hierfür waren drei antike Odenstrophen kennzeichnend - die alkäische Odenstrophe, die asklepiadeische Odenstrophe und die sapphische Odenstrophe.

Im 18. Jahrhundert wich das Verständnis von der Liedform hin zur Gedichtform. Die Ode war fortan ein besonders erhabenes, in Odenstrophen gegliedertes, Gedicht ohne festes Reimschema und ohne begleitende Musik.
Heute versteht man unter eine Ode jedes feierliche, reimlose Gedicht mit einem festen Adressaten (Person, Bauwerk, Stadt o. Ä.).

Strophen:
Die Antike Ode hatte eine festgelegte Strophenform aus vier Versen (siehe Odenstrophe).

Versform und Versmaß:
In der Antike hatten Oden häufig ein bestimmtes Versmaß, das sogenannte Odenmaß (siehe Odenstrophe). Generell gibt es aber kein festes Versmaß.

Reim:
Oden sind meist reimlos und haben kein festes Reimschema.

Varianten:

  • Heroische Ode - verleiht der Größe menschlicher Taten ein Gesicht und erzählt von Erhabenheit, Heldenruhm, Patriotismus und vom Adel. Besonders der Kampf und die Stärke, in Form von physischer Kraft und Willensstärke, werden darin glorifiziert.
    Die Oden des griechischen Dichters Pindar (518 v. Chr. - 438 v. Chr.) waren so bedeutend für diese Variante, weshalb seine Werke auch als "pindarische Oden" bekannt sind.
    Die Römer hatten in Horaz (65 v. Chr. - 8 v. Chr.) den bedeutendsten Odendichter. Seine Oden werden als "horazische Oden" bezeichnet.
    Als heroische, deutsche Odendichter machten sich vor allem Friedrich Hölderlin (1770-1843) und Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) einen Namen. Die Oden von Hölderlin werden als "Hölderlins Oden" die von Klopstock als "enthusiastische Oden" bezeichnet.
  • Philosophische Ode - thematisiert Lehren und Wahrheiten zu grundlegenden Fragen über das Lebens und die Welt an sich, die der Dichter selbst erfahren hat. Sie wurden entsprechend seiner moralischen Grundsätze bzw. der Grundsätze der Zeit (häufig religiös gefärbt) verfasst, weswegen man auch von der "moralischen Ode" spricht. Sie ist nicht als Lehrgedicht zu verstehen. Vielmehr beruht sie auf der Tugend und dem Pflichtbewusstsein des Dichters, seine gemachten Erfahrungen und Empfindungen für die Nachwelt niederzuschreiben.
Beispiel:
Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt‘ ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All’ ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goß

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.

Friedrich Hölderlin (1770-1843), Heidelberg

2.1.4 Gedichtformen aus Asien

Aus Asien kommt mit dem Haiku eine sehr bekannte Gedichtart. Auf die Besonderheiten dieser Form gehen wir im Folgenden näher ein.

2.1.4.1 Haiku

Das Haiku (wörtliche Übersetzung: "lustiger Vers") ist eine Gedichtform aus Japan, deren Ursprünge im 8. Jahrhundert liegen. Sie beruhen auf der Tanka-Dichtung, die zum "Tan Renga" (Kettengedicht) führte. Kettengedichte wurden vom Urheber selbst oder von verschiedenen Dichtern im Laufe der Zeit immer weiter gedichtet. Der Anfangsvers - der sogenannte "Hokku" - wurde stets einem Ehrengast überlassen. Er war "frei", weil er das Thema der zuvor gebildeten Kette nicht berücksichtigen musste.
Im 13. Jahrhundert löste sich das Hokku aus dem Tan Renga und ließ eine eigene lyrische Form entstehen, die sich im 15. Jahrhundert zu etablieren begann.
Im 17. Jahrhundert formte sich daraus das Haiku als Scherzgedicht, wie wir es heute kennen. Allerdings hat es inhaltlich nichts damit zu tun, denn es greift lediglich naturalistische Schilderungen mit einem Bezug zur Gegenwart und einer konkreten Darstellung von Sachverhalten auf. Hierfür sollten Haikus idealerweise ein "Kigo" (meistens ein Wort oder eine Phrase, die in Japan inhaltlich mit einer der Jahreszeiten in Verbindung steht) enthalten. Dennoch lesen sich Haikus mitunter etwas "witzig".

Strophen:
Das Haiku ist einstrophig.

Versform und Versmaß:
Das Haiku besteht aus einem Dreizeiler, der sich der Reihenfolge nach in fünf, sieben und fünf Lauteinheiten (Moren) unterteilt. Diese werden im Deutschen gerne als Silben interpretiert. Wird die genaue Silbenanzahl nicht eingehalten, spricht man auch von "freie Haiku".

Reim:
Das Haiku ist reimlos.

Beispiel:
Alter Tümpel:
Ein Frosch springt hinein.
Wasser platscht.
Matsuo Bashō (1644–1694), deutsche Übersetzung

2.2 Inhalt von Gedichten

Lyrische Werke (Gedichte) können verschiedene Inhalte haben und dementsprechend unterschiedlichen Inhaltskategorien zugeordnet werden. Dabei ist stets zu hinterfragen, an wen sich ein Gedicht richtet, da das Verständnis für viele inhaltliche Zusammenhänge in der Menschheitsgeschichte von Epoche zu Epoche sehr unterschiedlich gewesen ist (etwa im Alltag oder in der Politik). Auch objektive Umstände - wie bspw. Dialekte oder religiöse Ideologien - spielen eine Rolle, genauso wie subjektive Empfindungen (Liebe, Trauer). Man unterscheidet u.a. nach:

  • Alltagslyrik (Gedichte, die Alltägliches poetisieren.)
  • Dialektgedicht / Mundartlyrik (Gedichte, die in einem bestimmten Dialekt verfasst sind.)
  • Gedankengedicht / Gedankenlyrik (Gedichte, bei denen Reflexionen des Autors im Mittelpunkt stehen.)
  • Gedichte für einen bestimmten Zweck oder Anlass / Gebrauchslyrik (z. B.: Geburtstagsgedichte, Hochzeitsgedichte, Weihnachtsgedichte)
  • Gesellschaftslyrik (Gedichte, die klassenspezifische Themen einer Gesellschaft poetisieren.)
  • Großstadtlyrik (Gedichte, die das Leben in einer Großstadt thematisieren, Ursprung ist die "Verstädterung", die ab dem 18. Jahrhundert immer mehr zunahm.)
  • Hermetische Gedichte / Hermetische Lyrik (Gedichte, deren Sprache vom Verfasser chiffriert wurde, wodurch der Zugang des Lesers erschwert wird.)
  • Kindergedichte / Kinderlyrik (Gedichte, die speziell für Kinder verfasst wurden.)
  • Konkrete Poesie (Die Sprache wird zum Gegenstand des Gedichts, indem ihre akustischen, phonetischen und visuellen Dimensionen als literarisches Mittel genutzt werden.)
  • Trauergedichte (Gedichte, die die Trauer bzw. den Verlust von etwas oder jemandem poetisieren, bspw. für eine Kondolenzkarte.)
  • Liebesgedichte und Liebeslieder / Liebeslyrik wie der Minnesang
  • Naturgedichte / Naturlyrik (Gedichte, die Naturereignisse, Jahreszeiten usw. poetisieren.)
  • Politische Gedichte (Gedichte, die politische Meinungen und Absichten poetisieren.)
  • Religiöse Gedichte (Gedichte, die religiöse Ansichten und Meinungen poetisieren.)
  • Todesgedichte / Sterbegedichte bzw. Todeslyrik (Gedichte, die den nahenden Tod seines Autors poetisieren.)

2.3 Funktion von Gedichten

Gedichte können verschiedene Funktionen bzw. Aufgaben haben. Man unterscheidet u.a. nach:

  • Agitatorisches Gedicht (Gedicht, das den Leser beeinflussen soll)
  • Appellatives Gedicht (Gedicht, das einen Wunsch oder eine Aufforderung ausdrückt)
  • Dinggedicht (Gedicht, in dem der Autor sprachlose Objekte zum Leben erweckt)
  • Dogmatisches Gedicht (Gedicht, das einen oder mehrere Lehrsätze poetisiert)
  • Erzählgedicht (Gedicht, das eine Geschichte erzählt, eine Handlung hat, meist moderne Versepik)
  • Gelegenheitsgedicht (Gedicht, das für einen speziellen Anlass unter kommerziellen Gesichtspunkten verfasst wird)
  • Lehrgedicht (Gedicht, das Erfahrungen / Weisheiten poetisiert)
  • Scherzgedicht / Nonsensegedicht (Gedicht, das scherzhaft gemeint ist bzw. den Unsinn poetisiert)
  • Schimpfgedicht (Gedicht das jemanden beschimpft oder über etwas schimpft)
  • Schmähgedicht (Gedicht, das jemanden herabsetzt)
  • Spottgedicht (Gedicht, in dem jemand oder etwas verspottet wird)
  • Streitgedicht (Gedicht, das eine Fragestellung aufgrund von Abwägungen beantwortet)
  • Funktion nach Spielform (Das Spiel mit der Sprache bzw. den Buchstaben ist schon seit der Antike beliebt. Demzufolge können Gedichte auch verschiedene Spielformen aufweisen, die etwa an ihrer schriftlichen Form oder an Buchstabenumstellungen erkennbar sind.)
    • Anagramm-Gedicht (Gedicht mit einer Häufung von Anagrammen)
    • Figurengedicht (Gedicht, das anhand der Anordnung der Wörter eine grafische Gestalt abbildet)
    • Lautgedicht (Gedicht, das auf den Wortsinn augenscheinlich zu verzichten scheint und die Sprache lediglich als Lautmaterial anwendet. Dadurch rückt die Semantik in den Hintergrund und der Klang wird vordergründig.)
    • Leistengedicht (auch Akrostichon, ein Gedicht, bei dem die Buchstaben oder Wörter am Versanfang, wenn man sie hintereinander liest (in der Regel von oben nach unten), einen Sinn ergeben)
    • Palindrom-Gedicht (Gedicht mit einer Häufung von Palindromen)

3. Gedicht schreiben

Wie schreibt man ein Gedicht? Ob man sich diese Frage nun im Rahmen einer Hausaufgabe stellt oder ganz privat für sich selbst. Eine allumfassende Antwort hierauf gibt es leider nicht. Dennoch versuchen wir im Folgenden anhand von Tipps, eine möglichst präzise Hilfestellung zu liefern.

Wie man Gedichte selber schreiben kann. Diese Punkte sind zu berücksichtigen:

  • Anlass: welchem Zweck soll das Gedicht dienen? Möchtest du es geschäftlich oder privat nutzen? Der Inhalt sollte auf den Anlass abgestimmt werden.
  • Empfänger: wer ist die Zielgruppe eures Gedichts? Wer soll es lesen? An wen ist es gerichtet? Ansprache und Inhalt sollten je nach Empfänger passend gewählt werden.
  • Inhalt: hat euer Gedicht einen geschäftlichen Fokus, ist es eventuell ratsam, möglichst allgemein zu schreiben. Privat kann die Detailtiefe nach Geschmack zunehmen. Bei Freunden empfehlen sich bspw. gemeinsame Erlebnisse oder Dinge, die einem an ihnen gefallen. Dem Partner kann man seine tiefsten Gefühle offenbaren. Ist der Inhalt für die Öffentlichkeit bestimmt, eignen sich z. B. gesellschaftskritische Themen. Schreibt man hingegen für sich selbst, ist dem Inhalt keine Grenze gesetzt.
    Je nach Inhalt lassen sich Gedichte in verschiedene Inhaltskategorien einordnen.
  • Inspirationen: brauchst du Inspirationen für dein Gedicht? Menschen lassen sich unterschiedlich inspirieren. Was häufig gut funktioniert sind Spaziergänge oder Lieblingsorte wie Cafés bzw. Plätze in freier Natur. Probiere es einfach aus. Vergiss aber nicht, ein Notizheft oder ähnliches dorthin mitzunehmen. Alternativ kannst du natürlich auch einfach andere Gedichte lesen und dich von ihnen inspirieren lassen.
  • Schreibumgebung: Überlege dir, wie du am besten kreativ werden kannst und passe die Umgebung entsprechend an. Ob es nun dein Lieblingsort ist oder einfach nur ein ruhiger Raum für bestmögliche Konzentration bleibt dir überlassen.
  • Tiefgang: durch die Verwendung von Stilmitteln kann man Gedichten noch mehr Substanz verleihen.
  • Schreiben: wenn du dir über den Inhalt im Klaren bist, gilt es, sich eine eigene Welt zu erstellen, die diesen bestmöglich abbildet. Fasse hierzu einen Gedanken und lasse ihn zum nächsten springen. Mache immer weiter und schreibe alle Wörter auf, die dir bei diesem Prozess durch den Kopf gehen. Im Idealfall lassen sich so Unmengen an Wörtern sammeln, die dann "nur" noch darauf warten, in Verse und Strophen gegossen zu werden.
  • Feedback: hilfreich kann es sein, sein Werk mit anderen zu teilen. Ob es sich hierbei nun ebenfalls um "Dichter" oder Personen aus anderen Kreisen handelt ist irrelevant. Was zählt ist das Feedback an sich und die Erkenntnisse, die man daraufhin beim kommenden "Feinschliff" in sein Gedicht einarbeitet.
  • Feinschliff: nun steht die Vollendung im Mittelpunkt. Hier kann das erhaltene Feedback eingearbeitet werden. Danach ist es hilfreich, sein Gedicht wieder und wieder zu lesen (auch laut). Bestmögliche Ergebnisse erzielt man hierbei, wenn man dies nicht an einem Stück macht, sondern einige Stunden oder gar Tage dazwischen verstreichen lässt.

3.1 Struktureller Aufbau eines Gedichts

Der strukturelle Aufbau eines Gedichts ist beliebig. Dennoch gibt es zahlreiche Dinge, die man dabei berücksichtigen kann. Dazu zählen:

  • Merkmale von Gedichten sind u.a. ihre Versform, Strophenform und Gedichtform. Kennt man diese, lässt sich das Wissen auch für eigene Werke nutzen.
  • Gedichte werden unterschiedlich betont. Den klanglichen Aufbau beschreibt das Versmaß. Es ist sinnvoll, das Versmaß nicht unnötig oft zu wechseln. Hat man eins für sich gefunden, hält man es am besten über das gesamte Gedicht bei.
  • Reime unterscheiden sich. Überlegt euch so früh wie möglich, welche Reimarten ihr verwenden wollt. Am meisten verbreitet ist der Endreim.
  • Das Reimschema ist ein wesentlicher Bestandteil von Gedichten. Welche Verse sollen sich reimen? Entscheidet euch.

3.2 Reime und Reimwörter finden

Ganz essenziell für das Schreiben von Gedichten ist das Finden passender Reimwörter. Dabei kann euch unsere Reimwörter-Suche helfen.
Inspirationen kann euch ebenfalls die folgende Liste liefern, die jede Menge dichterische Wörter enthält.

3.2.1 Poetische Wörter

Über den Autor
Silvan Maaß ist Diplom-Kommunikationswirt (dab) sowie Mitbegründer der Sprachnudel, wodurch er sich seit 20 Jahren beinahe täglich mit theoretischer und angewandter Linguistik beschäftigt. Die Lebendigkeit der Sprache hat es ihm besonders angetan. Daher interessiert er sich insbesondere für Okkasionalismen und Neologismen - zwei kreative Themenfelder der Linguistikforschung, die in unserer Gesellschaft relevanter denn je sind.

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